375 Jahre Gymnasium Petrinum

Diesen besonderen Geburtstag feiert unsere alte Penne im nächsten Jahr.
Einige von Euch hatte ich schon darauf aufmerksam gemacht, dass die Schule, insb. der ‚Redaktionsleiter‘ der Festschrift, Dr. Josef Ulfkotte, auch uns um Geschichten gebeten hat, die ein wenig das Leben und Lernen am altehrwürdigen Petrinum beleuchten.

Klassenkamerad Berthold hat sich im fernen Rumänien mal hingesetzt, um über die Griechenland-Fahrt zu schreiben, ich habe mich gerne an Pater Heribert erinnert …

Hier Bertholds Artikel:

Erinnerungen

Da kommt ein Anstoß, etwas zu schreiben über etwas, das Jahrzehnte zurückliegt. Da werden Erinnerungen wach, Gefühle steigen auf, die grauen Gehirnzellen fangen an zu arbeiten. Fotoalben werden durchstöbert.

ABI 71 – das ist wie ein Zauberwort, nein mittlerweile viel, viel mehr, dank dem unermüdlichen Einsatz von zweien unserer Klassenkameraden. Gerade waren so viel Kameraden wie nie seit dem Abi zum 45-jährigen Jubiläum in Dorsten und sind auseinandergegangen mit dem großen Versprechen, sich zum 50. ABI-71-Jahrestag in grosser Runde erneut zu treffen.

Erinnerungen

Was sind sie? Welche sind verblasst? Welche sind verschollen? Welche sind nur verschüttet?

HELLAS – Griechenland ist eines der ganz großen Erlebnisse unserer Klasse. Es kommt aus heiterem Himmel, als wir die Vorbereitungen für die Abschlussfahrt nach Rom (wie alle vorherigen Abi-Abschlussfahrten) starten. Auf einmal steht die Frage, nein, das Angebot im Raum: hei Jungs, wie wär es mal mit was ganz anderem zum Abschluss? Ihr seid doch alle Humanisten und das sind nicht nur Römer. Kommt doch mal nach Griechenland! Uff. Das sitzt. Alle schauen sich verwundert an. So richtig glauben will es keiner. Wie soll das gehen? Die Reisezeiten! Die Kosten! Unmöglich! Es wird aber Realität dank einer Einladung des griechischen Ministeriums für Fremdenverkehr/Tourismus, die aufgrund eines Kontaktes von Bernd (Michael) Schauers Onkel zur damaligen Militärjunta zustande kam.

WAHNSINN. Die erste und einzige Abschlussfahrt am historischen Petrinum, die zu den Wurzeln humanistischen Gedankengutes und der ‚παιδαγωγία‘ (paidagogía: Erziehung, Unterweisung) geht – und wir sind die „Auserwählten“.

Erinnerungen

Da kommt eine ungemein spannende Frage und Entscheidung auf uns zu. Wer soll außer unserem Klassenlehrer Volker Wiltberger der zweite Mann an Bord sein? Bernhard „Tünnes“ Sporkmann oder Willi „Bubi“ Lang? Für Rom war die Frage schon beantwortet zugunsten B. Sporkmann, unserem Lateinlehrer. Aber ist es nicht richtig, W. Lang zur Teilnahme zu bewegen? Klassensprecher Werner Innig organisiert eine oder mehrere Für-und-Wider-Diskussionen. Dann steht unser Entschluss fest: es soll W. Lang sein. Es kann sich keiner vorstellen, welche Spannung im Klassenraum herrscht, als Bubi zur normalen Unterrichtsstunde reinrauscht, den Homer auf das Pult legt und mit seinem Stoff loslegen will. „Herr Lang“, sagt Werner Innig, „darf ich einen Moment um Ihre Aufmerksamkeit bitten?“ „Was gibt’s denn, Herr Innig?“ „ Ich darf Ihnen im Namen der gesamten Klasse eine Mitteilung machen. Wie Sie ja wissen, … Wir wollen gerne, dass Sie mit uns nach Griechenland fahren.“

SCHWEIGEN. Man kann eine Stecknadel fallen hören. „Bubi“ Lang guckt ungläubig in die Runde, sieht in entschiedene Gesichter. Er muss sich setzen. Dann bricht es aus ihm raus. Der Homer fliegt vom Pult. Er rast durch die Klasse, weiß gar nicht, wem er zuerst die Hände schütteln soll. Gefühle pur! Dann sagt er „ Jungs, ich bin nun seit zig Jahren Griechischlehrer und war noch niemals dort. Wisst Ihr eigentlich, was Ihr mir da antut?“

Von nun an nimmt der Griechischunterricht andere Gestalt an. In Zweiergruppen werden Vorträge zu den geplanten Besuchsorten vorbereitet und referiert. Natürlich ist das mit Vokabel-Lernen verbunden.

Erinnerungen
an die Fahrt ab München mit dem HELLAS-Express sind blass, aber die Stopps in jugoslawischen Bahnhöfen, die Wartezeiten des Zuges, wenn eine Schaf- oder Kuhherde die Gleise queren, die Ziegen und Hühner von einheimischen Passagieren, die verstopften Toiletten und so manches mehr kommen wieder ans Tageslicht.

Dann endlich ist Athen angekündigt als letzte Station. Gespannt sehen wir alle immer wieder aus dem Fenster, wenn wir denn was sehen. Im Abteil bin ich gemeinsam mit Willi Lang und Klaus Heidtmann, meinem Klassenfreund, als der Zug in einer lang gezogenen Kurve die ersten Blicke auf Athen und die Akropolis freigibt. „Bubi“ bricht in Tränen aus. Die Gefühle überwältigen ihn und uns auch.

Erinnerungen an einige Höhepunkte und Orte

Akropolis - Star unserer Abschlussfahrt 1970-1200
Akropolis – Star unserer Abschlussfahrt 1970
die humanistischsten aller Pennaeler vor der Akropolis 1200
Die humanistischsten aller Pennäler vor der Akropolis 🙂
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In den Ruinen von Olympia
Unser ABI 71 Orakel von Delphi-1200
Beim Orakel von Delphi
unsere Gastgeber und Volker Wiltberger mit Gattin
Unsere Gastgeber und Volker Wiltberger mit Gattin Ursula
Willi - Bubi - Lang und eins seiner Lieblinge-1200
Willi „Bubi“ Lang und eines seiner Lieblingsstücke

Erinnerungen an unseren so großartigen Griechischlehrer – unser langjähriger beliebter Klassenlehrer Volker Wiltberger möge es mir an dieser Stelle nachsehen – er macht diese Abschlussfahrt zu einem Triumph für uns. Natürlich schafft das ein ganz anderes Arbeitsklima von der Nachlese bis zum Abi und den „berüchtigten“ Feierlichkeiten der Treckerfahrt durch Dorsten (siehe Link hier auf der Webseite, dem Verbrennen eines Klaviers und der Schulbücher und -hefte auf dem Marktplatz, den zweiwöchigen – heute kaum vorstellbaren – Jubelfeiern in Kneipen und Gärten von Lehrern und Klassenkameraden. Wir sind die ersten und letzten Petrinum-Pennäler, die in HELLAS waren!

Liebe Klassenkameraden, lasst mich schließen mit einem unserer Schlachtrufe von damals:
Pin pin adelphe pin …

Meine Erinnerungen gehen hier und heute auch an unsere verstorbenen Lehrer und Klassenkameraden. Ich schätze mich glücklich, wenn ich Euch wiedersehe, und freue mich auf die nächste Einladung von unseren MASTERS of ABI‘ 71!

Schermbeck, Wachau (bei Dresden), Bukarest (Rumänien)

Berthold Steinkamp

 

… und hier meiner:

Gott ist Liebe …

 

1969, Dienstag, 1. Stunde: Schulmesse für die kath. Schüler in der St.-Johannes-Kirche an der Beethovenstraße (die evangelischen Schüler trafen sich zeitgleich zum Gottesdienst in der Johannes-Kirche am Recklinghäuser Tor mit Pastor Glauert, auch Religionslehrer am Petrinum).

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Pater Heribert Griesenbrock (1914-2007)

Pater Heribert Griesenbrock, Priester, Franziskaner, Lehrer für kath. Religion, Philosophie, bei Bedarf auch Erdkunde, Geschichte, Latein, Griechisch, Deutsch, Sport …) hielt wie üblich die Messe; Franz Timmermann, begnadeter Musiker und damals in der Unterprima, spielte die Orgel, 100-150 Schüler nahmen (regelmäßig) an den Gottesdiensten teil.

Zur Austeilung der Kommunion wurden dann in der Kirche alle älteren Schüler hellwach, mucksmäuschenstill und starrten gebannt auf Pater Heribert: Franz spielte nicht wie üblich einen Choral oder eine seiner Improvisationen, sondern eine Instrumentalversion DES Skandalsongs der damaligen Tage: „Je t’aime … moi non plus“ von Serge Gainsbourg und Jane Birkin. Nicht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, nicht einmal bei Radio Luxemburg wurde das Lied gespielt: zu eindeutig waren Text und Liebesgestöhne; hören konnte man es hier allenfalls auf Mittelwelle über einen der zahlreichen Piratensender auf der Nordsee, wenn man nicht die Single hatte oder eine Tonband-Kopie.

Pater Heribert schaute einmal kurz hoch zur Orgelbühne …

Später am Morgen dann, 3. oder 4. Stunde, für unsere spätpubertäre Obersekunda: Religion bei Pater Heribert. Wie wird er reagieren, was wird er dazu sagen? Bemerkt hat es es auf jeden Fall. Beginn der Stunde wie immer mit einem freundlichen „Guten Morgen“ – und mit Blick in unsere gespannten Gesichter lächelte er und sagte etwa so: „Ihr kennt das Lied doch alle und wisst, worum es darin geht. Die Melodie ist ein wunderbares Liebeslied und Gott ist Liebe und Liebe ist göttlich, aber woran ihr Jungs dabei gedacht habt, gehört nicht in die Kirche.“

Franz Timmermann, leider 2013 viel zu früh verstorben, erzählte mittags, dass Pater Heribert ihn kurz zur Seite genommen habe mit der Bitte, ‚so etwas‘ nicht noch einmal zu machen. (jw)